Als die Axis Entwicklungsabteilung Lightfinder erfand, änderte sich damit der gesamte Markt für Überwachungskameras, denn nun konnten forensisch verwertbare Details bei schlechtem bis gar keinem Licht erfasst werden. Aber wie hat es die Entwicklungsabteilung geschafft, Farbe in die Welt der Grautöne zu bringen? Zwei der von Anfang an am Entwicklungsprozess beteiligten Mitarbeiter des Kernteams für diese Erfindung vermittelten uns Einblicke in den geballten Erfahrungsschatz.
Die Axis Lightfinder-Technologie verleiht einer Netzwerk-Kamera extreme Lichtempfindlichkeit. Bei sehr schlechtem Licht, wenn andere Kameras in den Nacht-Modus und zu Graustufen-Video umschalten, bleiben Kameras mit Lightfinder im Tag-Modus und liefern weiterhin in Farbe. Farben selbst bei Nacht sehen zu können, ist vielleicht das entscheidende Detail bei der Identifikation einer Person oder eines Fahrzeugs. Kameras mit dieser Technologie brauchen weniger Licht, um gutes Videomaterial zu produzieren, was auch zu einer kürzeren Belichtungszeit führt. So wird Bewegungsunschärfe und Rauschen in den Bildern auf ein Minimum reduziert. Die Entstehungsgeschichte des Lightfinder erzählt etwas über Zusammenarbeit, Herausforderung und dem Willen, etwas zu bewegen.
Wir sprachen mit Andres Vigren, Axis Global Product Manager und Marie Grönlund, Axis Senior Project Manager. Als sie gefragt wurden, was sie zur Umsetzung dieses Projekts motiviert habe, führten sie sehr unterschiedliche, aber starke persönliche Gründe an. „Ich möchte Kunden zufrieden machen und sie mit wertvollen Innovationen versorgen. Ich will ihnen ein „Wow“-Erlebnis verschaffen“, sagt Andres. Marie dagegen liebt die Herausforderung: „Ich löse gerne schwierige Probleme, und das Technologie-Kernteam wollte der Welt zeigen, dass wir bereit waren, einen Quantensprung zu vollziehen. Was mich immer antreibt, ist außerdem ein engagiertes Team, das für seine Idee eintritt und sich einsetzt.“
Die Zündung einer Idee
Unmittelbar vor der Erfindung von Lightfinder stand der Markt für Überwachungskameras im Mittelpunkt einer Schlacht - dem Kampf zwischen zwei Lagern: Analoge gegen IP‑Kameras. Andres als globaler Produktmanager konnte einige Erkenntnisse bei den Kunden gewinnen, die insgesamt mit der Qualität der Bilder zufrieden waren, jedoch auch betonten, dass die analogen Kameras bei Dunkelheit bessere Ergebnisse lieferten. Als er dieses Feedback weitergab, war der Ehrgeiz des Teams geweckt. „Wir wollten es nicht nur den analogen Kameras gleich tun, sondern der Branche zeigen, dass unsere IP-Kameras besser waren als jede Analogkamera, dass sie die analoge Technologie selbst in diesem Bereich übertreffen können - besonders, da diese Herausforderung die Einzige war, bei der IP gegenüber Analog noch hinterher hinkte“, erklärt Marie.
Der Grund dafür, dass analoge Kameras in dunklen Umgebungen so gute Ergebnisse erzielten, war ihre geringe Auflösung. Da Axis den letzten Vorteil analoger Kameras übernehmen wollte, bestand der Ansatz in der Entwicklung einer IP-Kamera, die bei schlechtem Licht oder in dunkler Umgebung Bilder hoher Auflösung liefern würde. Obwohl es eine völlig neue und deshalb eher riskante Idee war, konnten Marie und Andres die Entscheidungsträger bei Axis davon überzeugen, dass sich die Unterstützung dieses Projekts lohnen würde. Sie waren davon überzeugt, dass man damit analoge Kameras ein für alle Mal vom Thron stoßen würde. Sie begannen ihr neues Projekt mit einem Kernteam aus drei Ingenieuren und einem Softwareexperten, aber je besser sie voran kamen, desto mehr Mitarbeiter aus anderen Abteilungen wollten mit einsteigen. „Als die Entscheidung fiel, mit unserer neuen Lösung weiter zu machen, lief bereits ein ähnliches Projekt. Aber unser spezielles Konzept für die Lösung des Kameraproblems mit schwachem Licht veranlasste uns, die Art und Weise neu zu überdenken, in der wir dieses Problem angingen“, sagt Marie.
Die Herausforderungen der „Zähmung eines wilden Sensors“
Ein Gerät zu entwickeln, das diese Schwierigkeiten überwinden könnte, war eindeutig keine einfache Aufgabe, und unterwegs stellten sich weitere Herausforderungen. Es war ein riesiges mechanisches Projekt, und was produktionsseitig eine gute Entscheidung zu sein schien, war technologisch nicht unbedingt gut oder leicht umsetzbar. „Wir mussten die Teile, die wir bereits hatten, in ganz eigener Weise kombinieren, und da der sehr lichtempfindliche Sensor bis dahin nie wirklich zum Einsatz gekommen war, stellte es eine ziemliche Herausforderung dar, ihn in eine vorhandene Kamera zu integrieren. Besonders, da es sich um einen Prototyp handelte, der noch nicht einwandfrei funktionierte“, erklärt Marie. „Ich denke, das größte technische Hindernis dürfte eigentlich die Integration des Sensors gewesen sein - er war wie ein wildes Pferd, das wir zähmen mussten, damit es mit unseren digitalen Bildverarbeitungsalgorithmen, Chips und sonstigen Komponenten kompatibel würde“, fügt Andres hinzu.
Die Kombination der neuen Sensoren, der ARTPEC-4-Chip, die erheblich höhere Lichtempfindlichkeit und die dazu gehörige Kalibrierung waren die Hauptfaktoren, die letztlich die Grundlage der erfolgreichen Lightfinder-Technologie bildeten.
Die Realisierung und das „Wow-Erlebnis“
Die Teams erkannten das wahre Potenzial der Technologie bei den ersten Demos und waren erstaunt über die Empfindlichkeit des Sensors in Kombination mit den Objektiven. „Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, denn ich war wirklich über die gute Qualität erstaunt. Ich dachte nur: ‚Wow! Das wird den Markt verändern!‘“, sagt Andres. Die Kamera für den Demonstrationsaufbau hatte dann tatsächlich eine zu gute Leistungsfähigkeit: Im Raum mit der getesteten Kamera befand sich auch ein Computer, und das Team musste die leuchtenden Teile abdecken (und später sogar den Raum mit dem Computer verlassen), da es für die Szene und den lichtempfindlichen Sensor zu hell war. Sogar, als der Raum fast stockdunkel war, konnte die Gruppe mit der Kamera noch jedes Detail sehen.“
Vom ersten Prototyp bis zur offiziellen Markteinführung dauerte es ein Jahr. Etwa zur selben Zeit führte Axis eine Kamera mit hohem Dynamikbereich (HDR) (auch als Wide Dynamic Range, WDR, bezeichnet) ein, die perfekte Bilder in sehr hellen Szenarien liefert. Die ursprüngliche Idee war abzuwarten, bis die Lightfinder-Technologie perfektioniert sein würde, um beide Merkmale in einer Kamera zu kombinieren, aber das Team war zu gespannt auf den Erfolg von Lightfinder. Die Technologie musste auf den Markt gebracht werden. Heute umfassen die meisten Axis Kameras beide Merkmale.
Im Rückblick auf die Reaktionen der Kunden gab es einen bestimmten Anwendungsfall, der Eindruck hinterließ. Einer der ersten Kunden, die die neue Kamera testen sollten, war ein Unternehmen, das die Kameras zur Überwachung von Bahnstrecken brauchte, hier war die einwandfreie Überwachung immer eine Herausforderung gewesen. Es ist nicht möglich, entlang der gesamten Route Leuchten zu installieren, aber die Anwender müssen sehen können, ob es auf den Strecken irgendeine Blockade gibt. Der Kunde war von den Ergebnissen begeistert, und das Filmmaterial der Demonstration wurde später zu Marketingzwecken verwendet.
Innovative Unternehmen fördern
Die Lightfinder-Technologie war eine Erfindung, die aus der innovativen Arbeitskultur bei Axis entstand und den Markt veränderte. Aber was braucht ein Unternehmen, um innovativ zu sein? Wenn wir unsere beiden Innovatoren fragen, brauchen die Mitarbeiter dafür eine Mischung aus Zeit und Ressourcen, um Neues zu untersuchen. Der Schlüssel für die nächste Innovation kann darin liegen, die Chance zum Experimentieren - beispielsweise mit neuen Sensoren - zu haben, anstatt sich alte Produkte und Ideen anzusehen, aber auch darin, sich die Arbeit von Wettbewerbern ansehen zu können. „Ich glaube, es hängt auch von der Haltung der Menschen ab, die in einem Unternehmen arbeiten: Ich zum Beispiel möchte Kunden überraschen und ein Problem lösen, indem ich ihnen ein einzigartiges Produkt anbiete, das ihr Leben erleichtert. Dazu muss ich eine entsprechende Komponente entwickeln - oder zumindest die Idee dafür, die ein innovatives Konzept darstellt“, fügt Andres hinzu.
Die Zukunft von Lightfinder
Bei all den neuen Produkten, die jährlich auf den Markt kommen, ist es fast unmöglich, die Zukunft im Sinne von technologischen Entwicklungen und Erfindungen vorherzusagen. Möglich ist es jedoch, Ziele für die Zukunft zu setzen und die verschiedenen Branchen zu bewerten, die den Markt am stärksten beeinflussen. Für die Lightfinder-Technologie wird es wichtig sein, die Entwicklung des derzeit von der Automobilbranche vorangetriebenen Marktes für Sensoren mitzuverfolgen und zu unterstützen. In den nächsten drei bis fünf Jahren ist mit Änderungen und der Einführung neuer Leistungsmerkmale zu rechnen. „Ich sehe sie in den nächsten 12 Monaten in einer starken Kombination mit hoch auflösenden Bildern. Unser großer Vorteil ist die Tatsache, dass Axis seine eigenen Chips entwickelt. Daher können wir beeinflussen, wie unsere Algorithmen im jeweiligen Anwendungsfall funktionieren und können sie dafür optimieren. Wir greifen niemals einfach ins Regal. Statt dessen entscheiden wir von Anfang an, welche Elemente wir in das Gerät integrieren“, sagen Andres und Marie.
Wenn wir uns die anstehenden Innovationen bei Axis selbst ansehen, wird klar, dass sie gewaltigen Einfluss auf künftige Geräte haben werden. „Mit dem neuen, noch leistungsstärkeren ARTPEC-7-Chip, verbesserten Sensoren und Algorithmen sowie der Unterstützung von Canon bei den Objektiven verfügen wir über alle Qualitätstools, die wir brauchen. Wir müssen sie nur miteinander verbinden“, sagt Marie.